Die Fortis Official Cosmonauts Chronograph Ref. 630.22.141 ist der Zimmermannsbleistift unter den Chronographen: liegt gut in der Hand, macht saubere Striche, verschwindet diskret hinter dem Ohr – und hält den Laden zusammen, während andere noch ihre Präsentation sortieren. Große Gesten sind hier Feierabendprogramm. Hier ticken 38,0 mm und ein Valjoux 7750 die Sprache der Vernünftigen: Takt vor Tamtam, Präzision vor Pathos, 20 bar als stille Versicherung, dass auch Regenschauer zur Normalität gehören.
Falls jemand nach dem Stammbaum fragt: Diese Maschine hat ihre Legitimation nicht durch Hochglanzbroschüren erhalten, sondern im Juri-Gagarin-Trainingszentrum – wo Zentrifugen Menschen zu Püree machen könnten und Vakuumkammern Uhren zum Schweigen bringen. Auf MIR und ISS war sie Arbeitswerkzeug, nicht Fotokulisse. Das Tritium von einst murmelt heute wie ein Nachtportier, das Saphir pariert jeden Alltagsschlag; zwischen beiden liegt nichts als bewährte Einsatzlogik. Orbital-Ausweis mit Bürotauglichkeit – eine Uhr, die wirkt statt weint.
Grenchen-Genesis – als Präzision noch nicht selbstverständlich war
Denken wir uns Grenchen 1912: Hinter dampfenden Fenstern klappern Maschinen, Walter Vogt richtet gegenüber dem Bahnhof seine Werkstatt ein und plant keine Weltrevolution, sondern schlicht bessere Zeitmesser. Die Eisenbahn außerhalb taktet den Rhythmus vor – Pünktlichkeit als Überlebenskunst, Zeit als harte Währung, keine Spielwiese für Romantiker.
1926 kommt John Harwood mit seiner Automatik-Idee vorbei, und statt endloser Diskussionen gibt es Handschlag und Produktion. Die Harwood Automatic rollt vom Band wie ein gut gewarteter Ford: 25 Steine, robuste Konstruktion, Serie statt Salon. Während Konkurrenten noch über Sinn und Unsinn des Selbstaufzugs debattieren, verkauft Fortis bereits das Ding, das morgens von selbst läuft.

Die 30er bringen Chronographen – weil Zeit messen eben mehr ist als Zeit anzeigen –, die 40er die wasserdichten Fortissimo-Modelle, und 1962 schließlich die Spacematic: kein Marketing-Märchen, sondern eine Uhr für Raumfahrtprogramme, getestet auf Temperaturschwankungen und Extrembedingungen. Fortis redet nicht über Grenzen, Fortis überschreitet sie.

1994 ist dann das Jahr der ultimativen Prüfung – bestanden mit der Gelassenheit einer Schweizer Bank.
Kalter Krieg trifft warme Diplomatie – 1994
Die 90er sind das Jahrzehnt der großen Aussöhnung: NASA und Roscosmos klopfen den Kälteschmutz der vergangenen Jahrzehnte ab und starten das Shuttle-MIR-Programm – Händedruck im Weltall, Politik als Physik. Doch bevor es romantisch wird, herrscht im Gagarin-Zentrum preußische Gründlichkeit: Uhren werden nicht besichtigt, sondern qualifiziert. 1994 erhält Fortis die Einsatzfreigabe; später wird die Marke auch offiziell unter Roscosmos geführt. Keine Fanfaren, nur ein nüchternes Urteil: zertifiziert, einsatzbereit.
Euromir ’94 – ein Monat Schwerelosigkeit als Produkttest
Dr. Ulf Merbold, deutscher Physiker und erster Westeuropäer mit Monatsaufenthalt auf MIR, startet am 3. Oktober 1994 zu seinem persönlichen Langzeittest der Fortis und kehrt am 4. November zurück – rund 31 Tage zwischen Sojus-Kapseln und Kvant-Modulen, 16 Tag-Nacht-Zyklen pro 24 Stunden, Maschinengeräusche, Experimente und die ständige Herausforderung, dass jede Bewegung in der Schwerelosigkeit drei ungewollte Nebenbewegungen auslöst.
Die Fortis am Handgelenk wird zum Orientierungsanker: neonorange Chronographenzeiger als visueller Kompass, klare Skalen als Realitätscheck, Day-Date als Erinnerung daran, dass es außerhalb der Metallblase noch Wochentage gibt. Merbolds Resümee nach der Landung ist das, was Ingenieure als höchstes Lob verstehen: »Funktioniert einwandfrei.« Keine Lobeshymnen, keine poetischen Ergüsse – nur die Bestätigung, dass das Werkzeug seinen Job gemacht hat.
Konsequenz: Die Raumfahrt führt Fortis als Standardausrüstung – erst Praxis, dann Plakette.

Werksentscheidungen – Lemania-Lyrik vs. Valjoux-Vernunft
Die frühen Cosmonauts-Jahre gehören dem Lemania 5100 – einem Kaliber, das Uhrmacher-Herzen höher schlagen lässt wie ein gut gestimmter Konzertflügel. Zentrale Chronographen-Minute statt Hilfszifferblatt – als würde der wichtigste Zeiger die Hauptbühne bekommen. 24-Stunden-Anzeige bei 12 Uhr für die Erdzeit-Orientierung bei 16 täglichen Sonnenaufgängen. 3 Hz, um die 42 Stunden Reserve, alles dort, wo man es auch mit dicken Handschuhen ertastet.
Das Lemania 5100 ist mechanische Poesie – aber Poesie hat Nebenkosten: komplizierte Ersatzteillage, spezialisierte Uhrmacher, Wartezeiten für Service. Romantik ist teuer, besonders wenn die Uhr täglich funktionieren muss.
Ende der 90er wechselt Fortis bei der Ref. 630.22.141 zum ETA/Valjoux 7750 – nicht aus Schwäche, sondern aus Weltklugheit. Das 7750 ist der Toyota Hilux unter den Chronographenkalibern: weltweit servicefähig, robust bis zur Langeweile, Ersatzteile fast überall. 4 Hz (28.800 A/h), ~48 h Reserve, Kulissenschaltung, Nivarox-Spirale – die Specs eines Arbeitspferdes, nicht eines Ausstellungsstücks.
Die 630.22.141 wird damit zur intelligenten Synthese: Raumfahrt-Pedigree von oben, Werkstatt-Realismus von unten. Space-Heritage mit Bodenständigkeit – die Kombination, die im Alltagseinsatz überzeugt.

Formgebung – wenn Bauhaus Baikonur besucht
Gehäuse: Schweizer Understatement in Edelstahl
38,0 mm Durchmesser, etwa 14,0 mm Höhe und ~46 mm Lug-to-Lug ergeben die Proportionen eines gut erzogenen Werkzeugs: präsent ohne Prahlerei, substanziell ohne Selbstdarstellung. Am Handgelenk nimmt die Fortis Raum über Respekt ein, nicht über Raumverdrängung. Das Gehäuse ist überwiegend satiniert und streut Licht wie ein Tarnkappenjäger – Reflexionen sind in Cockpits nicht nur störend, sondern gefährlich. Glanz erscheint nur dort, wo er die Funktion unterstützt, nicht wo er Aufmerksamkeit heischt.
Lünette: Tachymeter ohne Theater
Die feste, gravierte Tachymeter-Lünette ist kein Drehring-Spielzeug für Büro-Submariner, sondern Rechenhilfe für klassische Geschwindigkeits- und Durchsatzrechnungen. Kein Pathos, nur Praxis.
Bedienelemente & Dichtigkeit
Krone und Drücker sprechen die Sprache des 7750: »Klick mit Substanz« – dieses metallische Feedback, das nach Präzision und Haltbarkeit klingt. 20 bar Wasserdichtigkeit sind die stille Zusage, dass Regen, Dusche und Schwimmbad zur Kategorie »unkritisch« gehören.
Zifferblatt: Kontrollraum-Ästhetik für den Alltag
Das Zifferblatt spricht Klartext: große arabische Ziffern, unmissverständliche Minuterie, klassisches 6-9-12-Layout der Chronographen-Register, Day-Date bei 3 Uhr wie ein ordentlich beschriftetes Aktenregal. Schwarz wirkt wie Dienstanweisung, Dunkelblau wie Polarnacht über dem Weltraumbahnhof – zwei Stimmungslagen, eine Grammatik. Die Zeigerhierarchie ist eindeutig: Stundenzeiger dominiert bei der Zeitablesung, Minutenzeiger führt im Alltag, Chronographenzeiger übernimmt bei Messaufgaben. Kein demokratisches Durcheinander, sondern klare Befehlskette.
Tritium der 90er Jahre glimmt heute wie Notbeleuchtung nach Schichtende – dezent, aber zuverlässig. Spätere Super-LumiNova-Versionen leuchten heller und länger, verlieren dafür die charakteristische T-Signatur-Patina. Sammlerherz gegen Nutzerlogik – beide Standpunkte haben ihre Berechtigung.
Saphir: Durchsicht mit Nebenwirkungen
Saphirglas mit AR-Beschichtung hält das Zifferblatt lesbar, auch wenn die Beleuchtung nicht mitspielt. Viele Gebrauchtstücke zeigen Mikrokratzer in der äußeren AR-Schicht – kein Konstruktionsfehler, sondern Dienstgradabzeichen. AR-Beschichtungen sind wie Lackierungen: schön, wenn neu, charaktervoll, wenn gelebt.
Bänder: Werkzeugkästchen offen
Bandoptionen sind vielfältig: Stahlband für ausbalancierte Optik, Leder für reduzierte Masse, NATO für Werkzeug-Modus. Die Anstoßbreite beträgt 20 mm, was die komplette Vintage-und-Aftermarket-Strap-Bibliothek öffnet.

Ein Tag mit der 630.22.141 – Gebrauchsanweisung ohne Pathos
Morgendliche Routine: oberer Drücker, und die Stoppsekunde setzt sich in Bewegung wie ein gut geölter Mechanismus – kein Drama, kein Zögern, nur saubere Funktion. Die Minuterie empfängt den Blick, die Chronographen-Register sortieren die Information, das Day-Date bringt Orientierung – ein Interface, das funktioniert, bevor man darüber nachdenkt.
Mittäglicher Einsatz: Wenn Termine beginnen, laut zu werden, ist die Fortis ein Ordnungssystem am Handgelenk. Sie macht aus Zeit wieder eine Messgröße, nicht eine Stimmung; aus Minuten Werkzeuge, nicht Metaphern. Chronographenfunktion für Besprechungslängen, Pausenzeiten, Projektphasen – praktische Zeitmessung statt philosophische Zeitbetrachtung.
Abendlicher Abschluss: Wenn Licht hart und Müdigkeit weich wird, genügt die Rest-Tritium-Lume für den späten Kontrollblick – keine Lichtshow, nur stille Gewissheit. Genau darin liegt der Charme dieser Uhr: Sie ist kein Accessoire, das Rechtfertigung verlangt, sondern ein Werkzeug, das Ergebnisse bringt.

Konkurrenzanalyse – verschiedene Antworten auf ähnliche Fragen
Omega Speedmaster Professional: Liturgie vs. Logistik
Die Speedmaster ist unsterblicher Mythos mit täglichem Ritual: Handaufzug als Morgengebet, 50 m WR als Zugeständnis an die Romantik. Wer Andacht schätzt und Ikonen braucht, findet hier sein Kapitel. Die Fortis beantwortet dieselbe Zeitmessfrage mit Day-Date, Automatik, 20 bar und der pragmatischen Feststellung, dass Arbeitstage auch ohne Heldenverehrung beginnen können.
Sinn 103: Deutscher Ernst vs. Schweizer Gelassenheit
Sinn 103 ist deutscher Pragmatismus mit martialischem Akzent: 41 mm, 7750-Familie, je nach Modell mit Tegiment und 200 m WR. Sehr ähnliche Werkzeughaltung, anderes Temperament: Sinn verkündet »Ich überstehe alles«, Fortis konstatiert »Ich war bereits dort«. Norddeutsche Gründlichkeit gegen Schweizer Understatement.
Tutima Military/Pilot: Kaserne vs. Kosmos
Tutima bedient NATO-Realität: kernig, manchmal Flyback, weniger Orbit, mehr Exerzierplatz. Militärischer Pragmatismus für terrestrische Einsätze. Unterschied: Tutima löst irdische Probleme, Fortis hat kosmische Referenzen.
Fortis B-42: Evolution mit mehr Hubraum
Die B-42 (ab 2003) ist die 630.22.141 nach Fitnessstudio-Besuch: 42 mm, 7750, 20 bar, größere Hebel für dickere Handschuhe. Gleiche DNA, erweiterte Dimensionen – praktische Evolution für ISS-Einsätze, wo Raumanzugfinger größere Bedienelemente schätzen.
Die 630.22.141 positioniert sich als Hohmann-Transfer-Orbit zwischen Andacht und Überdimensionierung: effiziente Bahn, sparsamer Treibstoffeinsatz, maximaler Nutzen.

Fortis heute – Tradition mit Treibstoff
Neue Führung, bewährte Adresse
Seit 2018 hat Jupp Philipp der Marke frischen Wind gegeben: Konstruktion vor Folklore, Substanz vor Styling. Die Adresse in Grenchen ist die alte, die Richtung ist schärfer. Philipps Credo: Man müsse Fortis mit direkten Konkurrenten vergleichen – der uhrmacherische Inhalt habe deutlich zugelegt. Evolution statt Revolution, Substanz statt Sensation.
Qualitätskontrolle: Weltraum-Standard für Erdlinge
Aktuelle Fortis-Uhren durchlaufen Tests über Norm. Das WERK 17 wurde stratosphärisch traktiert – extreme Temperaturen, Druckwechsel, ruppige Landung – und hat überlebt. Nicht als Zirkusnummer, sondern als Beleg für Prioritäten: erst Konstruktion, dann Kommunikation.
Für wen sie tickt (und für wen nicht)
Die richtigen Kunden
Diese Fortis ist für Menschen mit Schichten, Projekten, Verantwortung. Für Enthusiasten, die belegte Einsatzgeschichte über Heritage-Nebel stellen. Für Technik-Nerds, die weltweite Servicefähigkeit über Salon-Finissage priorisieren. Für Sammler, denen 38 mm Kompetenz ohne Instagram-Lautstärke genügt. Für Space-Fans, die Geschichte tragen, nicht zitieren.
Die falschen Erwartungen
Nicht für alle: Wer beim Handgelenksblick emotionale Höhenflüge erwartet, wird enttäuscht. Die Fortis spricht Klartext – ihre Kompromisse sind transparent: Bauhöhe (das 7750 ist kein Flachmann), AR-Empfindlichkeit (Gebrauch hinterlässt Spuren), Tritium-Alterung (Charakter statt Flutlicht). Dagegen stehen bewiesene Tugenden: echte Space-Historie, hervorragende Ablesbarkeit, wartbares Kaliber, robuste Konstruktion, jahrzehntelange Bewährung.

Epilog – Bauhaus mit Orbit-Lizenz
Die Fortis Official Cosmonauts Chronograph Ref. 630.22.141 ist kein Werbeplakat in Edelstahl, sondern Dienstleistung am Handgelenk. Sie stammt aus einem goldenen Tool-Watch-Moment der späten 90er, als Schweizer Mechanik noch echte Pionierarbeit begleitete und Weltraum noch Arbeitsplatz war, nicht Kulisse. Vor Instagram-Filtern, vor Heritage-Marketing, vor Lifestyle-Uhren – nur Funktion, nur Wahrheit, nur Zeit.
Zwischen der Lemania-Poesie der frühen 602er-Referenzen und der B-42-Dominanz ab 2003 steht die 630.22.141 als Hohmann-Kompromiss: Space-Heritage mit Service-Realismus, 38,0 mm mit 7750-Verlässlichkeit, Raumfahrt-Pedigree mit Alltagstauglichkeit. Kurz gesagt: Bauhaus mit Baikonur-Lizenz – eine Uhr, die nichts beweisen muss und alles liefert. Sie erinnert daran, warum mechanische Uhren überleben: nicht durch Versprechen, sondern durch Leistung. In einer Zeit, in der jeder zweite Chronograph sich eine »Space-Connection« andichtet, ist sie der diskrete Beweis dafür, dass manche Uhren tatsächlich dort waren, wo andere nur hinwollen.
Spezifikationen
- Marke: Fortis
- Kollektion: Official Cosmonauts
- Modell/Referenz: 630.22.141
- Gehäuse: 38,0 mm Ø · ~14,0 mm Höhe · ~46 mm Lug-to-Lug · 20 mm Anstoß · Edelstahl · 20 bar wasserdicht
- Zifferblatt: 6-9-12 Chronographen-Layout · Day-Date bei 3 Uhr · Tritium-Leuchtmasse (frühe 90er) bzw. später Super-LumiNova
- Zeiger: Klassisches Dreizeiger-Chrono-Setup mit zentraler Stoppsekunde (je nach Baujahr Tritium / SLN)
- Lünette: Feste, gravierte Tachymeter-Lünette (Stahl)
- Glas: Saphir mit Entspiegelung
- Kaliber: ETA/Valjoux 7750 · Automatik · 4 Hz (28.800 A/h) · ~48 h Gangreserve
- Kronen/Drücker: Verschraubte Krone · klassische Chronographendrücker
- Historie: Erste Cosmonauts-Modelle noch mit Lemania 5100 · ab 38-mm-Generation (u. a. Ref. 630.22.141) Wechsel auf Valjoux 7750 · ab 2003 abgelöst durch die größere B-42
- Armband: (variabel; zeitgenössisch Stahlband oder Leder)
- Preis: — (Vintage-Markt, je nach Zustand/Set)